Von Informationssilos zu vernetzten Wissensstrukturen: Eine Fallstudie zur Implementierung von Linked Open Data in der Berliner Verwaltung
Die Fallstudie der Open Data Informationsstelle Berlin (ODIS) zeigt, wie sich alltägliche Verwaltungsdokumente in maschinenlesbare Wissensressourcen transformieren lassen und welche organisatorischen wie technischen Bedingungen dafür erforderlich sind. In der Berliner Verwaltung werden Organigramme dezentral mit gängigen Office-Programmen erstellt und als PDFs veröffentlicht. Diese Praxis mag für menschliche Nutzer:innen funktional erscheinen, verhindert jedoch eine maschinelle Auswertbarkeit. Strukturelle Informationen, etwa Zuständigkeiten, hierarchische Beziehungen oder organisationale Verknüpfungen, bleiben in geschlossenen Dokumentformaten gebunden. Die Konsequenz: Potenziale für Datenanalyse, Verknüpfung und Weiterverwendung bleiben ungenutzt.
Diese Situation ist kein Spezifikum der Berliner Verwaltung, sondern kennzeichnend für viele öffentliche Institutionen. Sie verweist auf eine grundlegende Herausforderung: Die Transformation von implizitem, dokumentengebundenem Wissen in explizite, verknüpfbare Datenstrukturen erfordert sowohl technische Infrastrukturen als auch neue organisationale Praktiken.
Organigramme als RDF-Triples
Das Projekt entwickelte ein Organigramm-Tool, das Verwaltungsstrukturen nach den Prinzipien von Linked Open Data abbildet. Der Ansatz orientiert sich am 5-Sterne-Modell von Tim Berners-Lee und setzt auf folgende technische Grundlagen: Jede organisationale Einheit, Rolle und Position erhält eine eindeutige URI (Uniform Resource Identifier), wodurch sie im Web adressierbar wird. Die Daten werden im RDF-Format (Resource Description Framework) als Triples strukturiert, bestehend aus Subjekt, Prädikat und Objekt. Diese semantische Modellierung ermöglicht es, Beziehungen zwischen Entitäten explizit zu machen und mit externen Datenquellen wie Wikidata zu verknüpfen. Abfragen erfolgen über SPARQL, eine Abfragesprache für RDF-Daten, die komplexe analytische Operationen ermöglicht.
Vom Prototyp zum Wissensgraphen
Die praktische Erprobung zeigt konkrete Anwendungsmöglichkeiten auf. Mit SPARQL-Abfragen ließen sich beispielsweise behördenübergreifend vakante Positionen identifizieren, eine Information, die im Kontext von Personalplanung und Fachkräftemangel administrative Relevanz besitzt. Die Verknüpfung mit Wikidata demonstriert das Potenzial für weitergehende Informationsanreicherung: Zu Leitungspersonen konnten automatisiert zusätzliche biografische und kontextuelle Daten recherchiert werden. So ermöglicht Linked Open Data die schrittweise Konstruktion eines Wissensgraphen, in dem isolierte Informationen zu einem zusammenhängenden semantischen Netzwerk werden. Die technische Infrastruktur schafft damit die Voraussetzung für neue Formen der Wissensarbeit in der Verwaltung.
Organisationale und technische Voraussetzungen
Die Studie formuliert vier zentrale Handlungsfelder für die Implementierung von Linked Open Data:
- Kompetenzentwicklung
Die Aufbereitung von Daten für maschinelle Verarbeitung erfordert neue Kompetenzen und eine veränderte Perspektive auf Datenproduktion. Dieser Perspektivwechsel lässt sich nicht allein technisch implementieren, sondern bedarf gezielter Wissensvermittlung und organisationaler Lernprozesse. - Standardisierung
Das Projekt entwickelte Vorlagen, Rollenmodelle und Ontologien für Organigramme. Eine zentrale Koordinationsstelle könnte die Entwicklung domänenspezifischer Ontologien systematisieren und die Einhaltung internationaler Standards gewährleisten – eine Aufgabe, die organisationsübergreifende Abstimmung erfordert. - Infrastruktur
Prototypische Lösungen müssen in dauerhafte Infrastrukturen überführt werden. Triple Stores, offene Schnittstellen und Pflegekonzepte sind technische Voraussetzungen für eine nachhaltige Verankerung von Linked Open Data. Der geplante Data Hub im Land Berlin könnte hier eine zentrale Rolle übernehmen. - Vernetzung
Die Wirkung von Linked Open Data entfaltet sich erst durch die Verfügbarkeit vernetzter Datensätze. Einzelne LOD-Implementierungen bleiben isolierte Insellösungen – erst ihre Verknüpfung schafft die Grundlage für einen funktionsfähigen Wissensgraphen.
Wissensinfrastrukturen als öffentliche Güter
Die Fallstudie verdeutlicht, dass Linked Open Data um einen Ansatz zur Reorganisation von Wissensinfrastrukturen in der öffentlichen Verwaltung handelt. Die Transformation von dokumentenbasierten Informationssilos in vernetzte, maschinenlesbare Wissensressourcen schafft neue Möglichkeiten für Transparenz, Analyse und Weiterverwendung von Verwaltungsdaten. Der Weg dorthin erfordert koordinierte Anstrengungen auf technischer, organisatorischer und konzeptioneller Ebene. Die vorliegende Studie kann als Orientierung für andere Verwaltungen dienen, die vergleichbare Transformationsprozesse anstoßen möchten.
Die vollständige Studie „Linked Open Data in der Praxis“ wurde im Mai 2025 von der Open Data Informationsstelle Berlin veröffentlicht.

