Open Culture – Offene Kultur

Open Culture bezeichnet eine Kultur des Umgangs mit digitalen und analogen Daten. Dieser Umgang enthält technische, rechtliche und soziokulturelle Dimensionen. Die technische Dimension beinhaltet die Bereitstellung (Format, Metadaten, Standards), die rechtliche Dimension beinhaltet Lizenzen, Richtlinien und Gesetze, die soziokulturelle Dimension umfasst das Verständnis des Staates und der Gesellschaft und des Umgangs mit immateriellen Gütern (commons) in sozialen Prozessen.

Teilen als Grundlage der digitalen Gesellschaft

Der Begriff der Wissens- oder Informationsgesellschaft gehört zu den beliebten Selbstbeschreibungen moderner Gesellschaften. Informationsgesellschaften sind informationsökonomisch bestimmte Gesellschaften, in denen informationsbezogene Arbeiten den größten Anteil an der Erstellung des Bruttosozialproduktes und an den Arbeitsplätzen haben.

Grundlage und Prinzip der Informationsgesellschaft ist der Zugriff auf Informationen, mit der Absicht sich Wissen anzueignen. Informationen werden demnach in erster Linie als Innovationsfaktor gesehen. Moderne Informations- und Kommunikationstechnologien, die verwendet werden, verändern die Arbeitsweise und damit auch die Betrachtung und Umgang von Information und Daten. Diesen „elektronischen Umgebungen“ liegen folgende Prinzipien zugrunde:

  • das Teilen von Information
  • direkte Kontakte (peer-to-peer) zwischen Netzteilnehmern unter Vernachlässigung von Mittlern
  • kollaboratives Erarbeiten von Wissen unter Zurückstellung des individuellen Besitz- und Verwertungsanspruchs
  • hohe Transparenz
  • prinzipielle Offenheit für alle in allen Phasen der Produktion
  • Verteilung und Nutzung von Wissen und Information
  • Belohnungs- und Gratifikationsansprüche werden eher über reputative als über monetäre Anerkennungsverfahren gesteuert

Paradoxe Trends

Gegenwärtig sind zwei paradoxe Trends festzustellen: auf der einen Seite die zunehmende Organisation in polyzentrischen, organisationsübergreifenden, kooperativ angelegten Netzwerken, welche Technologie und Wissen generieren und transferieren. Auf der anderen Seite besteht ein Trend zur Privatisierung von Wissen und zu restriktiven Praktiken im Umgang mit Wissen. Waren Geoinformation, wie beispielsweise gedruckte oder gezeichnete Karten, in der vordigitalen Zeit noch ein knappes Gut, dessen Inhalt an eine physische Form und damit an eine natürlich-endliche Ressource gebunden war, so ist heute die Speicherung und Weitergabe von digital abgespeicherten Daten und Informationen so günstig und einfach wie nie zuvor.

Mit der fortschreitenden Informatisierung der Gesellschaft wächst die Nachfrage nach Daten und Information und damit auch der Markt für Informationen. Staatliche Stellen erheben Daten und sammeln Informationen aus allen gesellschaftlichen Bereichen ebenso wie private Unternehmen. Dabei bestimmt u. a. die Exklusivität der Informationen deren Preis, der Preis wiederum exkludiert mögliche Nutzer. Weiterhin stellen gesetzliche und technische Hürden eine ausgrenzende Funktion dar. Die aus der analogen Welt in die digitale transferierte Logik des Wirtschaftens und Handelns mit endlichen Ressourcen wirft neue Fragen auf. Digitalisierte Informationsprodukte aufgrund der losen Kopplung an materielle Träger und der damit gegebenen einfachen Reproduzierbarkeit nicht knapp.

Die Antagonisten

Zur Zeit kollidieren mehrere, sich diametral entgegenstehende Rechte in Wissensgesellschaften: des Rechts auf freien und unbegrenzten Zugang zu Informationen und Wissen und des Rechts auf die Unversehrtheit der Privatsphäre. Weiterhin die Unversehrtheit des Urheberrechts. Wissen wird in kommerzieller Umgebung künstlich verknappt. Die Informationswirtschaft übt Kontrolle aus unterstützt durch rechtliche Regelungen wie das Patentrecht, Urheberrecht bzw. Copyright etc. sowie durch Software, indem sie bestimmt, welches Wissen ein handelbares Informationsprodukt ist. Die Weitergabe ist im Gegensatz zu materiellen Gütern nicht mit Verzicht verbunden. Die Nachhaltigkeit von Wissen und Information wird nur zu erreichen sein, wenn der private Anspruch auf die Verwertung von in der Regel gesellschaftlich produziertem Wissen und von Kulturgütern allgemein stärker als heute zurückgenommen wird.

Informationsgerechtigkeit

Ein weiterer Aspekt ist die Informationsgerechtigkeit, darunter fallen zwei  informationelle Gerechtigkeitsgrundsätze:

  1. Jedermann soll gleiches Recht auf Zugang zum umfangreichsten System von Informationen und Wissen haben, das mit dem gleichen System für alle anderen vereinbar ist.
  2. Informationelle Ungleichheiten sind so zu gestalten, dass a) vernünftigerweise zu erwarten ist, dass sie zu jedermanns Vorteil dienen, und b) sie mit Positionen und Ämtern verbunden sind, die jedem offen stehen.

Die Digitalisierung erfordert eine Neuordnung im Umgang mit Wissen, indem die Interessen der Verwertungsindustrie und Informationswirtschaft stärker zurückgenommen werden, um günstigere Voraussetzungen für eine nachhaltigere Wissensgesellschaft zu schaffen.

Betriebsgeheimnisse existieren zwar nach wie vor, jedoch werden unternehmensinterne Informationen weniger restriktiv als Betriebsgeheimnis deklariert. Es zeigt sich für Unternehmen, das durch den freien und kooperativen Umgang mit Wissen sich die Kosten-Nutzen-Relationen verschieben, und damit wächst auch die Bereitschaft den eigenen unternehmensinternen Wissensvorrat zumindest partiell zu öffnen.

Das Prinzip des freien und inkludierenden Informations- und Wissensaustausches ohne künstliche Restriktionen und Verknappungen bildet die Grundlage des Verständnisses von Offenheit der Open Culture-Philosophie.